Aktuelle Ausstellung // szenenwechsel 62
19.10.2023 bis 07.01.2024
Luzie Pheiffer
"in between - Fotografie & Malerei"
In einer digitalen, flüchtigen Welt wie heute entstehen auf verschiedene Weise jeden Tag massenhaft neue Bilder, die schnell und weit verbreitet, sowie auf der ganzen Welt geteilt werden. Die Technik setzt dem keine Grenze und macht durch ihre fortschreitende Entwicklung immer mehr möglich. Warum sollte man trotz der uneingeschränkten Möglichkeiten in der gegenwärtigen Welt analog arbeiten? Was ist der Mehrwert eines solchen Verlangsamungsprozesses?
Die fortlaufende Entwicklung der Technik und Smartphones ermöglicht die uneingeschränkte Produktion von Bildern, die unweigerlich zu einer Bilderflut führt. Es wird immer mehr, teilweise willkürlich produziert und im Notfall anschließend einfach eliminiert, digital gelöscht oder Greifbares weggeworfen. Dies ist nur eins von vielen Phänomenen, das zeigt, wie viel schnellläufiger und konsumorientierter unsere Gesellschaft geworden ist.
Während also digital (unbedacht) immer mehr Bilder produziert werden, die vermutlich kein zweites Mal angeschaut werden, auf irgendwelchen Servern, durch Unterseekabel und Satelliten auf anderen Kontinenten landen und irgendwann wieder gelöscht werden, gilt für Luzie Pheiffer gerade der Aspekt des Bildanlasses und die Entscheidung über das Machen eines Fotos in der analogen Fotografie als wertvoll. Luzie Pheiffer studiert Lehramt im Master mit dem vertieften Fach Kunst an der Universität Siegen. Sie vereint in ihrer künstlerischen Arbeit die Sujets Fotografie, Druckgrafik und Malerei.
Mit der Kamera als ihren ständigen Begleiter, hält sie persönliche Momente des Alltags, der Umgebung und von Personen fest, die sie umgeben. Dies kann sich gegenständlich oder in abstrakter Form äußern. Die analoge Fotografie spiegelt wieder, was und wie Pheiffer die Dinge wahrnimmt und entsprechend ablichtet. Ein weiterer Grund stellt das Wechselspiel aus Zufall und Kontrolle dar, welches ihr autonomes Handeln verschafft und zugleich Fremdbestimmtheit von Entscheidungen durch den Zufall zulässt. So ist das fertige Foto in gewisser Weise eine Überraschung, so Pheiffer. Der Zufall spielt insoweit eine prägende Rolle für den künstlerischen Prozess, als das während dem Moment, in dem das Foto gemacht wird, noch nicht 100% klar ist, wie das Foto geworden ist, bis man es dann letztendlich nach der Entwicklung sieht. So spielt insbesondere auch das Licht eine unverzichtbare Rolle, sei es beim AbLICHTen oder BeLICHTen des Fotos. Es ist ebenso entscheidend für das Motiv von Licht und Schatten. Durch den dadurch entstehenden Kontrast von schwarz und weiß werden teilweise abstrakte Formen deutlich, die oftmals im späteren malerischen Prozess noch eine Rolle spielen. Die Fotografien bilden eine Art Sammlung und sind grundlegend für Pheiffers künstlerischen Prozess.
Im weiteren Verlauf des künstlerischen Prozesses, wird eine ausgewählte Fotografie digitalisiert und standardmäßig ausgedruckt. Diese wird dann mit dem Monolithodruckverfahren analog auf Leinwandstoff gedruckt. Währenddessen entstehen Zufälle, die manch einer als „ungünstige Fehler“ deklarieren würde, welche Pheiffer jedoch positiv als eine Art Chance für neue Bildfindungen sieht. Durch verschiedene Arten der Abweichung des Geplanten, beispielsweise durch die variierende Trocknungszeit zwischen dem Auftragen der Ölfarbe und dem Drucken mit der Presse, unterscheiden sich die Ergebnisse somit ausnahmslos voneinander, teils lediglich aufgrund winziger Details der Oberfläche, der Struktur größerer Flächen sowie der Druckstärke und geben dem Bild somit ein Alleinstellungsmerkmal. Das Drucken hat hier also nicht die übliche Funktion der Vervielfachung oder Reproduktion, sondern dient in dieser Hinsicht mehr der subjektiven Revision und gilt für Luzie Pheiffers praktische Arbeit als Anlass für einen hybriden Umbruch künstlerischer Möglichkeiten. Dieser analoge Druckprozess, welcher persönliche Entscheidungen impliziert und einer unendlichen Reproduzierbarkeit entgegenwirkt, wird zum Inhalt des Ergebnisses sowie der künstlerischen Herangehensweise.
Die Monolithografie stellt damit für Pheiffers praktische Arbeit sowohl formal, als auch inhaltlich einen Schnittpunkt von Fotografie und Malerei dar. Dieser Zwischenraum der Transformation von der Fotografie zur Malerei provoziert bereits bekannte Wahrnehmungs- und Denkprozesse und regt zur Kontextveränderung und Abstraktion an, indem unter anderem neue Komponente hinzugefügt und reflektiert werden. Mit diesem Prinzip der Verfremdung entstehen individuell für jedes Bild ständig neue Transformationsmöglichkeiten, die etablierte Wahrnehmungs- und Denkautomatismen in Frage stellen. Mit den Worten „das Erschaffen ist ein Umschaffen“ (Goodman, zit. n. Brandstätter 2013, S. 89) meint Nelson Goodman 1984, dass stets an bereits Vorhandenes angeknüpft wird und deshalb nie von einem Zustand der „tabula rasa“ (=unbeschriebenes Blatt) ausgegangen werden kann.
Die in dem Druckprozess entstandenen (inszenierten) Zufälle sowie die fotografischen Flächen (z.B. abstrakte Formen durch Licht und Schatten) beeinflussen malerische Entscheidungen. Mit Acrylfarbe und Glanzlack werden beispielsweise subjektiv offensichtliche Formen, Motive, Linien usw. aufgegriffen, vervielfacht, zensiert, hervorgehoben, verändert, transformiert,… .
Während das Bild die verschiedenen Prozesse (Fotografie, Druckgrafik und Malerei) durchläuft, wird es durch Zufälle und bewusste Eingriffe nach und nach immer mehr transformiert und abstrahiert. Dabei sind einige Arbeiten gegenständlicher und lassen einen detaillierten Blick in die Realität zu, andere hingegen zeigen sich in reduzierteren Formen eher abstrakt.
Durch die transformierten subjektiven Momentaufnahmen aus der realen Welt und der Prozesshaftigkeit, zeichnen sich Luzie Pheiffers Arbeiten durch ihren narrativen Charakter aus. Dabei wird an traditionelle erzählerische Vorgehensweisen angeknüüpft, welche neu definiert und transformiert werden. Ikonografische Merkmale und künstlerische Herangehensweisen beinhalten unter anderem Strategien der Störung, Verweigerung, Überschreitung oder Montagen heterogener Erzähl- bzw. Erfahrungsräume hervorzubringen. Durch ein Geflecht von Einzelbildern oder monoszenischen Bildfolgen als Serie oder Reihe und dessen Zusammensetzung und Hängung wird dies als Gesamtpräsentation in Kommunikation mit dem/ der Betrachter*in und dessen individueller Ausgangslage bzw. Verständnis gebracht. Es bildet sich inner- und außerbildlich ein Geflecht von narrativen Strukturen.